BILD-Zeitung macht Stimmung gegen Chancenkonto

Die in dieser Woche gemachte Behauptung der BILD-Zeitung, dass sich die Kosten für das von Martin Schulz vorgeschlagene Chancenkonto für Erwerbstätige auf 800 Milliarden Euro belaufen werden, sind kompletter Unsinn. BILD geht davon aus, dass alle 40 Millionen Beschäftigten in Deutschland jeweils 20.000 Euro Guthaben erhalten. Diese Annahmen sind simpel, aber falsch:

  • Erstens soll der Betrag in voller Höhe nur Menschen ab 18 Jahren/Eintritt in das Erwerbsleben zur Verfügung stehen, mit fortschreitendem Alter weniger werden und anfangs nicht 20.000 Euro betragen.
  • Zweitens werden nicht alle Beschäftigten in Deutschland gleichzeitig das Guthaben in Anspruch nehmen.
  • Drittens ist zu beachten, dass es sich um ein virtuelles Budget handelt, also Buchgeld auf einem Konto, welches erst bei Inanspruchnahme durch reales Geld hinterlegt wird. Das Guthaben soll die selbstbestimmte Gestaltung von Übergängen im gesamten Erwerbsleben unterstützen. Insofern entstehen Kosten nur für tatsächlich umgesetzte Weiterbildungen.
  • Viertens kommt es auf die tatsächliche Inanspruchnahme an. Bisherige Weiterbildungsangebote werden nur von einem Bruchteil der Berechtigten in Anspruch genommen. Selbst wenn jeder zehnte Beschäftigte in einem Jahr von seinem Ziehungsrecht Gebrauch macht, ist dies sehr hoch gegriffen. Außerdem werden bestehende Weiterbildungsprogramme, wie z. B. Aufstiegs-BAföG, nicht ersetzt, sondern sollen durch die Kofinanzierung von Selbstbehalten ergänzt werden.
  • Fünftens sollte das Erwerbstätigenkonto aus laufenden Steuereinnahmen finanziert werden. Hierfür bietet sich eine Erhöhung der Erbschaftssteuer auf hohe Vermögen an. Angesichts der ungleichen Verteilung von Vermögen, die vererbt werden, wäre eine derartige Finanzierung auch ein deutliches Signal für mehr Verteilungs- und Generationengerechtigkeit.

Meine Empfehlung: Anstatt Stimmung zu machen, einfach mal die Fakten anschauen. Passend zur heutigen Zeugnisausgabe in vielen Bundesländern gibt es deshalb von mir für die BILD-Zeitung eine glatte 6. Setzen!

Chancenkonto_BildmachtStimmung

Mehrheit für Bürgerversicherung

Nach einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der BILD-Zeitung sind 60 Prozent der Bundesbürger für die Einführung einer Bürgerversicherung, also einer Krankenversicherung für alle. Bei den Befragten mit einem durchschnittlichen Einkommen von 3000 bis 4000 Euro pro Monat liegt die Zustimmung sogar bei 66 Prozent. Die Umfrage zeigt, dass die Mehrheit der Menschen weg will von einer Zwei-Klassen-Medizin, in der Privatpatienten bevorzugt werden. In Deutschland warten immer mehr gesetzlich Versicherte auf einen Facharzttermin. Denn Fachärzte ließen sich wegen höherer Honorare vor allem dort nieder, wo viele Privatversicherte wohnen. Eine Bürgerversicherung würde dem entgegenwirken. Außerdem müssten die Arzthonorare angeglichen werden, damit die heutige Bevorzugung der Privatversicherten durch höhere Arzthonorare beendet wird. Als langjähriger Gewerkschafter kämpfe ich darüber hinaus dafür, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder gleiche Beiträge zahlen und nicht – wie heute – die Arbeitnehmer über Zusatzbeiträge deutlich mehr belastet werden. Ich nehme die Umfrage jedenfalls als Beleg dafür, dass die SPD mit ihrer Forderung nach einer Bürgerversicherung auf dem richtigen Weg ist.
Ulrich_Hampel_Bürgerversicherung-Fuer-Alle_SPD